Queerer Kreuzweg: Multimediales Glaubens-zeugnis in Wien, Linz und Graz
Unter dem Titel "Zusammen aufbrechen" finden in der Fastenzeit queere Kreuzwege in Wien, Linz und Graz statt. Der Auftakt des multimedialen Formats fand am Dienstagabend, 25. März, in der Wiener Votivkirche. Weitere Stationen sind die Jugendkirche Grüner Anker in Linz am 9. April um 18.30 Uhr sowie die Pfarrkirche Hl. Schutzengel in Graz um 18 Uhr.
"Wir möchten einen Raum schaffen, in dem die Ganzheit der Person durch authentisches Storytelling sichtbar wird und zu liebevollen Begegnungen führt - mit einem gegenseitigen Ausstrecken der Hände", erklärte Anson Samuel, Stadtjugendreferent der Diözese Linz und Leiter des Projekts. Im Fokus stehen Geschichten von Ausgrenzung, Selbstermächtigung und Hoffnung, die eine Brücke zur christlichen Spiritualität schlagen.
Die evangelische Pfarrerin Katharina Payk, Hochschulseelsorgerin in Wien, unterstrich daher die Notwendigkeit kirchlicher Unterstützung für queere Gläubige: "Unsere Kirchen können durch Angebote für und von LGBTIQ-Menschen und deren Sichtbarmachung zeigen, dass sie sich nicht an rechtsgerichteter Hetze beteiligen, sondern sich gerade jetzt für marginalisierte Menschen einsetzen."
Im Vorfeld wurden Interviews mit zehn Personen geführt, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung Ausgrenzung, Ablehnung und Verletzungen erfahren haben. Ihre persönlichen Erzählungen bilden die Basis dieses Abends, betonte Pfarrer Gregor Jansen vom Leitungsteam der römisch-katholischen Regenbogenpastoral Österreich. Diese Geschichten spiegelten gesellschaftliche Herausforderungen wider und setzten ein Zeichen gegen Diskriminierung "in einer Zeit, in der der Hass etwa gegen homosexuelle und transidente Menschen steigt", so das Projektteam.
Die biografischen Zeugnisse zeigten aber auch, "dass es für marginalisierte Gruppen oft eine Doppelbelastung ist, von der Gesellschaft abgelehnt zu werden und gleichzeitig den entstandenen Schmerz erklären oder rechtfertigen zu müssen", ergänzte Samuel.
Multimediales Glaubenszeugnis
Das Format kombiniert biografische Erzählungen in Form kuratierter Kurzvideos mit musikalischen und performativen Elementen. Dazu gibt es geistliche Impulse wie Gebet, Meditation und Segen. Ziel sei es, einen Raum für Begegnung und Dialog zu schaffen, in dem Glaube und Identität gemeinsam reflektiert werden können, so die Initiatoren.
Das Projekt wird von katholischen und evangelischen Gruppen getragen. Unterstützt wird das Projekt von einem breiten Netzwerk kirchlicher Einrichtungen, darunter die Katholische Jugend OÖ, die Junge Kirche Wien, die Regenbogenpastoral Österreich sowie verschiedene Hochschulgemeinden. Bereits 2024 fand unter dem Titel "Wounds of Love" ein queerer Kreuzweg in Wien und Linz statt.
Mehr als 250 Teilnehmende in Wien
Wie Pfarrer Jansen gegenüber Kathpress berichtete, waren mehr als 250 Teilnehmende in die Wiener Votivkirche an der Ringstraße gekommen, 30 Mitwirkende aus verschiedenen christlichen Kirchen sorgten laut Jansen unter dem Titel "Zusammen auf*brechen" für einen "intensiven und berührenden Abend".
Der Seelsorger wies auf Parallelen zwischen der in 14 Kreuzwegstationen vergegenwärtigten Leidensgeschichte Jesu und der Ausgrenzung queerer Personen hin und erinnerte an jüngste Hassverbrechen gegen Homosexuelle in Wien. Die Worte aus dem Psalm 31 zur ersten Station "Jesus wird verurteilt" sind laut Jansen erschreckend aktuell: "Ich höre viele hinter meinem Rücken tuscheln. Von allen Seiten droht mir Gefahr! Meine Feinde tun sich zusammen, um mich aus dem Weg zu räumen."
Die Mitfeiernden gruppierten sich auf Sesseln, Sitzmatten und Polstern rund um eine kreisrunde Fläche in der Mitte der Votivkirche. Auf drei Projektionswänden kamen interviewte Betroffene zu Wort und schilderten passend zu dem Kreuzwegstationen Erfahrungen von Schmerz und Ausgrenzung, aber auch von Ermutigung, Annahme sowie von Selbstermächtigung.
Jansen berichtete von einer jungen lesbischen Frau, die sich fragte, ob sie mit ihren Gefühlen und ihrer Identität Platz in ihrer Kirche hat: "Ich wusste nicht, ob es möglich ist, zugleich christlich und homosexuell zu sein". Eine Trans-Frau verließ ihren früheren Lebensort und bemerkte: "Oft war es in der neuen beruflichen Umgebung leichter, über meine Identität zu sprechen, als in der eigenen Familie." Ein schwuler Mann musste von einem geschätzten Priester hören: "Du hast eine Krankheit, ein Handicap, das du tragen musst für das Heil der Welt".
Immer wieder sei die Rede von Depression und Suizidgedanken gewesen, von Ablehnung, Verurteilung und dem Gefühl, alleingelassen zu sein. Aber auch ein fast trotziges "Ihr könnt mir den Glauben und die Kirche nicht nehmen, denn die Kirche in mir lebt" wurde ausgesprochen, so Jansen. Manche Betroffene hätten gerade in der Krise zu Gott und zur Gewissheit, nicht allein zu sein, gefunden.
"So ist die Kirche, zu der ich gehören möchte"
Die Begegnungen mit Simon und Veronika auf Jesu Weg nach Golgotha wurden bei der entsprechenden Kreuzwegstation aktualisiert durch die wohltuende Erfahrung mit solidarischen Menschen. Oft werde die "Queer Community" zur "chosen family", in der Unterstützung und Ermutigung erlebbar wird, weiß der Regenbogenpastoralverantwortliche. Am Ende der Feier wurde der Hoffnung auf Auferstehung Ausdruck gegeben: Der gemeinsam musizierte Song "I want to break free" der Rockgruppe Queen leitete zum Segensgebet über.
Besucherinnen und Besucher hätten danach "für den berührenden und intensiven Abend" gedankt, jemand habe gemeint: "So ist die Kirche, zu der ich gehören möchte."
s. auch:
(jp/31.3.2025)