Regenbogenseelsorger: Queere Gläubige immer schon Teil der Kirche
Von Regenbogenfahnen auf kirchlichen Gebäuden bis zu "Pride-Prayer": Der "Pride-Month" im Juni findet in den christlichen Kirchen mehr und mehr Beachtung. "Immer schon sind auch LGBTIQ*-Personen mit ihren unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten Teil der Kirche", stellte der Leiter der Regenbogenpastoral Österreich, Franz Harant, im Interview mit "Kathpress" klar. Die "sichtbare Solidarität, Wertschätzung und Akzeptanz von LGBTIQ*-Personen" sei daher umso erfreulicher, meinte Harant. Ähnlich Andreas Raschke vom Verein "Queer Glauben Wien", der speziell die Präsenz von queeren Gläubigen bei der Regenbogenparade hervorhob, da "in den Köpfen das Bild vorherrscht, dass LGBTIQ*-Personen in Religionen keinen Platz haben". Dem wolle man entgegentreten, so Raschke.
Aktuell ortete Harant - trotz Rückschritten und einem vielfach zögerlichen Voranschreiten - "eine Suchbewegung 'in der' Kirche, die immer mehr zu einer Suchbewegung 'der' Kirche wird". Der Linzer Seelsorger hob besonders das Segensdokument "Fiducia supplicans" hervor: Mit dem "Ja zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren" werde anerkannt, "dass es diese Lebensform gibt, und dass diese Menschen in verbindlicher Weise mit Gottes Segen leben und lieben wollen". Der Priester bedauerte zwar, dass es ein "Ja mit Einschränkungen sei", trotzdem "bringt dieses päpstliche Ja niemand mehr zurück in die Tube".
Kritik äußerte der Seelsorger jedoch an einer verletzenden Sprache, "die von Kirchenmännern bis hinauf zum Papst, verwendet wird". Er nahm dabei auf die vielfach kritisierte Wortwahl von Papst Franziskus in jüngster Zeit Bezug - "der sich jedoch erfreulicherweise dafür entschuldigte", so der Nachsatz von Harant. Franziskus setze seit Beginn seiner Pontifikats immer wieder ermutigende Zeichen, die eine pastorale Praxis in der Begleitung von LGBTIQ*-Personen ermöglichen, "sofern diese das wollen".
Teil der Schöpfung
"Lesbische Frauen, schwule Männer, Bisexuelle, trans* und inter* Menschen waren schon immer Teil der göttlichen Schöpfung und sein Abbild", begründete Harant das kirchliche Engagement. Gott mache folglich keine Fehler, sondern Unterschiede "und er liebt diese Unterschiede", betonte der diplomierte Lebensberater und zitierte dafür einen Vers aus dem Alten Testament (Genesis 1,31): "Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut."
Bei aller Offenheit gibt es aber auch Gegenwind und Kritik an der pastoralen Aufmerksamkeit gegenüber LGBTIQ*-Personen. Dies geschehe teils aus Unkenntnis, teils aus Unverständnis, räumte Harant ein. Die "Regenbogenpastoral Österreich" wolle den eingeschlagenen Weg trotzdem weitergehen: "Das ist wie das wandernde oder pilgernde Unterwegssein in den unterschiedlichen Landschaften auf der Ebene und in steilem Gelände, bei jeder Witterung", so das Fazit des Experten.
Wiener Parade und "Pride Prayer"
Harant selbst wird an der "Linzpride" (6. Juli) teilnehmen. "Das ist für mich ein Solidaritätsfest", begründete er sein Engagement. Ebenfalls aktiv sind kirchliche Gruppierungen, wie die Katholische Jugend, die Katholische Hochschuljugend sowie die diözesanen Fachstellen für Regenbogenpastoral.
Auch die Initiative "Religions for Equality" wird sich wieder an der Wiener Regenbogenparade am 8. Juni beteiligen, einerseits am Umzug selbst, andererseits mit einem "Pride Prayer" im Wiener Votivpark. Im Vorfeld findet zudem am Mittwoch (5. Juni) um 19 Uhr ein eigener "Pride Prayer" mit dem Motto "Pride is a demonstration" in der Wiener evangelisch-methodistischen Kirche (Sechshauserstraße 56) statt. Die ökumenische Feier wird von der methodistischen Kirche, "Queer Glauben" und "EvanQueer" organisiert; außerdem sind die evangelisch-reformierte, evangelisch-lutherische, baptistische, altkatholische sowie römisch-katholischen Kirche vertreten.
Zum ökumenischen Gebet seien "alle Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Orientierung" eingeladen, informierte Andreas Raschke, Vorsitzender des Vereins "Queer Glauben Wien". Ziel sei, die Akzeptanz und Gleichstellung von LGBTIQ*-Personen in den Religionen zu fördern.
Gebet und Regenbogenparade seien ein Protest gegen jegliche Art der Diskriminierung, betonte Raschke im "Kathpress"-Interview. Für Teilnehmende der Regenbogenparade sei vor allem die Präsenz von engagierten queeren Gläubigen ein wichtiges Zeichen, "denn in den Köpfen herrscht das Bild vor, dass LGBTIQ*-Personen in Religionen keinen Platz zu haben"; dem wolle man entgegentreten, so Raschke. "Denn auch queere Personen engagieren sich aktiv in ihren Religionen und treten dort öffentlich auf", dies sei jedoch noch viel zu wenig bekannt, meinte der Kurator-Stellvertreter der Wiener Zwinglikirche. Bedauern äußerte Raschke darüber, dass es kaum Dialogmöglichkeiten über LGBTIQ*-Themen mit der orthodoxen Kirche oder dem Islam gäbe. Hier bräuchte es noch mehr Bemühungen, so der "Queer Glauben"-Vorsitzende.
Regenbogenpastoral
Die "Regenpastoral Österreich" (www.regenbogenpastoral.at), in der alle entsprechenden Initiativen aus dem katholischen Bereich vernetzt sind, bietet Unterstützung für kirchliche Organisatoren sowie queere Gläubige. "EvanQueer" ist ein Zusammenschluss von queeren Mitgliedern - also Personen, die nicht der zweigeschlechtlichen oder heterosexuellen Norm entsprechen - in den Evangelischen Kirchen in Österreich, darunter haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende.
"Queer Glauben" hieß bis 2021 "Ökumenische Arbeitsgruppe Homoesexuelle und Glauben" und versteht sich als Interessengemeinschaft jener, die das "Interesse an Fragen zu queeren Lebensweisen und Glaube, Religion und Gesellschaft" verbindet - unabhängig von Geschlecht, Alter oder Religionszugehörigkeit, heißt es auf der Website. "Religions for Equality" besteht seit 2019, heuer beteiligen sich daran jüdische und christliche Amtsträger sowie Gläubige.
(Quelle: Kathpress)